Änderungskündigung
Die sogenannte Änderungskündigung scheint arbeitsrechtlich ein einfacher Fall zu sein: eine Kündigung, um den Arbeitsvertrag zu ändern und keine Kündigung, die das Arbeitsverhältnis beenden soll.
In Wirklichkeit ist die Änderungskündigung eine viel komplexere Sache. So kann der Arbeitgeber gezwungen sein, eine Änderungskündigung auszusprechen, obwohl er viel lieber das Arbeitsverhältnis beenden möchte. Daran hindert ihn jedoch die Rechtsprechung mit dem Grundsatz „Änderungskündigung vor Beendigungskündigung“, eine Folge des „Ultima Ratio“-Prinzips: eine Beendigungskündigung ist danach nur zulässig, wenn es kein milderes Mittel gibt. Und ein solches milderes Mittel soll die Änderungskündigung sein.
Die Änderungskündigung - kein einfacher Fall
So ist jedoch die Änderungskündigung voller Tücken für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. Existiert ein Betriebsrat, so muss der Arbeitgeber wie immer den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung anhören. Es können jedoch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen, zum Beispiel für die geänderte Eingruppierung des Arbeitnehmers, sodass deren Missachtung auch bereits die Änderungskündigung erfolglos sein lässt. Die Arbeitsgerichte stellen auch teilweise hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Änderungsangebots. Es muss so klar sein, dass der Arbeitnehmer nur "ja" oder "nein" sagen muss, um die Änderung des Arbeitsvertrags präzise entstehen zu lassen.
Weg zur Arbeit - kann Arbeitgeber Arbeitsort mit oder ohne Änderungskündigung ändern?
Auf Arbeitnehmerseite wird häufig nicht die richtige taktische Entscheidung getroffen. Wir meinen, dass in mehr als der Hälfte der Fälle der Arbeitnehmer von ihren Rechtsanwälten falsch beraten wird. Zur Taktik bei der Änderungskündigung hier weiter unten mehr.
Zunächst möchten wir hier die rechtlichen Grundlagen der Änderungskündigung darstellen. Sie sind ja die Grundlage für die taktischen Entscheidungen.
Änderungskündigung = Verknüpfung von Kündigung mit Fortsetzungsangebot
Dem Arbeitgeber steht das Weisungsrecht zu. Er kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen. Dieses Weisungsrecht wird auch Direktionsrecht genannt. Mit diesem Weisungsrecht kann der Arbeitgeber ohne Änderungskündigung erheblich in das Arbeitsverhältnis eingreifen. So kann er per Weisungsrecht den Arbeitnehmer anweisen, künftig seine Arbeitsleistung auch in großer Entfernung vom bisherigen Arbeitsort zu erbringen, in Bautzen statt in Düren, oder in Wechselschicht mit Nachtschichten zu arbeiten, statt nur von 7:00 Uhr bis 16:30 Uhr. Natürlich gilt dieses Weisungsrecht auch dann nicht grenzenlos, aber das „billige Ermessen“ und damit die Macht der Arbeitgeber geht hier sehr weit, bis zu den Grenzen der Willkür.
Nur wenn der Arbeitsort (oder die Verteilung der Arbeitszeit) konkret im Arbeitsvertrag vereinbart ist, kann sich der Arbeitgeber nicht per Weisungsrecht darüber hinweg setzen. Er muss dann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklären, verbunden mit dem Angebot, es mit dem geänderten Arbeitsort fortzusetzen.
Notfalls per Flugzeug - Arbeitgeber kann Arbeitsort ändern, meist ohne Änderungskündigung
Dies gilt natürlich nicht nur für den Arbeitsort oder die Anordnung von Schichtarbeit, sondern auch für andere Regelungen des Arbeitsvertrags. So sind Änderungskündigungen ein Mittel, um die Vergütung oder den Urlaubsanspruch zu reduzieren.
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers bei Änderungskündigung
Der Arbeitnehmer hat vier Möglichkeiten, auf die Änderungskündigung zu reagieren:
- Annahme des Änderungsangebots das Arbeitsverhältnis wird mit den geänderten Bedingungen fortgesetzt.
- Hinnahme der Änderungskündigung, ohne Kündigungsschutzklage und ohne Annahme des geänderten Arbeitsvertrags: das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Kündigungsfrist.
- Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung.
- Ablehnung des Änderungsangebots und Kündigungsschutzklage.
Annahme des Angebots der Änderungskündigung unter Vorbehalt
Falls der Arbeitnehmer unbedingt das Arbeitsverhältnis fortsetzen möchte, notfalls auch mit den angebotenen schlechteren Bedingungen, dann kann er die Änderung des Arbeitsverhältnisses unter Vorbehalt annehmen, aber die Rechtmäßigkeit der vom Arbeitgeber gewünschten Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht dennoch überprüfen lassen. Sprichwörtlich gesprochen: er kann den Spatz in der Hand festhalten, aber dennoch versuchen, an die Taube auf dem Dach zu kommen.
Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: der Arbeitgeber erklärt die Kündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen mit der Änderung, dass statt sechs Wochen Urlaub künftig nur noch vier Wochen Urlaub zu gewähren sind.
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Sozialrecht Oliver Derkorn
Erklärt der Arbeitnehmer nun die Annahme unter Vorbehalt, so kann er immer noch vom Arbeitsgericht prüfen lassen, ob diese Kürzung des Urlaubs sozial gerechtfertigt ist, also den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes standhält.
Diese Erklärung der Annahme unter Vorbehalt muss spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärt werden. Und innerhalb dieser Frist muss er auch die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht haben. Die Annahme des Änderungsangebots der Änderungskündigung unter Vorbehalt muss aber unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber fristgerecht erklärt werden.
Es kommt auf den Zugang dieser Erklärung an und über das Arbeitsgericht kann es einige Tage dauern, bis die Klage mit dieser Erklärung den Arbeitgeber erreicht. Die Folge ist dann, dass lediglich eine Klage noch in der Welt ist, aber keine unter Vorbehalt angenommene Änderung des Arbeitsverhältnisses.
Klage gegen die Änderungskündigung ohne Annahme unter Vorbehalt
Der Arbeitnehmer kann aber das Änderungsangebot ablehnen, entweder ausdrücklich oder einfach durch Schweigen. Denn nach Ablauf der Dreiwochenfrist ist das in der Änderungskündigung enthaltene Angebot gegenstandslos. Allenfalls durch eine neue Einigung zwischen den Parteien kann nun noch eine Änderung des Arbeitsvertrages herbeigeführt werden.
Arbeitsgericht Köln - Klage gegen Änderungskündigung muss beim Arbeitsgericht fristgerecht eingehen
Der Arbeitnehmer kann nun gegen diese Änderungskündigung Kündigungsschutzklage erheben. Er spielt also volles Risiko, sprichwörtlich gesprochen: er wirft mit der Wurst nach dem Schinken. Ist die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam (fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats, Kündigung eines Schwerbehinderten ohne Zustimmung des Integrationsamts), so stellt das Arbeitsgericht in seinem Urteil fest, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt wird.
Taktik bei Änderungskündigungen
Erklärt der Arbeitnehmer nicht die Annahme der Änderung unter Vorbehalt, so riskiert er also den Verlust des Arbeitsverhältnisses. Auf den ersten Blick scheint es verständlich, dass deshalb regelmäßig dazu geraten wird, die Annahme unter Vorbehalt zu erklären.
So lasen wir früher in einem Fachbuch für Fachanwälte für Arbeitsrecht sinngemäß folgenden Text: „es ist ein anwaltlicher Kunstfehler, bei einer Änderungskündigung nicht die Annahme unter Vorbehalt zu erklären“. Wir sehen es eher andersherum.
Für und wider - auch Annahme unter Vorbehalt bei Änderungskündigung hat zwei Seiten
Riskieren wir einen zweiten Blick auf diese Empfehlung, so kommen wir häufig zu ganz anderen Ergebnissen: Jedenfalls ist es ein Fehler, schematisch die Erklärung zur Annahme unter Vorbehalt abzugeben. Die Argumente für und gegen eine solche Erklärung muss ein Anwalt ausgiebig mit seinem Mandanten erörtern.
So viel Zeit muss sein. Und jeder Anwalt sollte sich diese Zeit nehmen, denn es geht um wichtige, existenzielle Fragen für seinen Mandanten.
So sprechen folgende Gesichtspunkte zum Beispiel gegen eine Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt:
Chancen auf Abfindung sind bei Änderungskündigung minimal
Bei einer Annahme unter Vorbehalt muss der Arbeitnehmer zu den geänderten Bedingungen weiter arbeiten. Somit enthält die Kündigungsschutzklage gegen die Änderungskündigung nach erklärtem Vorbehalt kein großes Risiko für den Arbeitgeber, Lohn nachbezahlen zu müssen, ohne dass der Arbeitnehmer Arbeitsleistung erbracht hätte.
Das sogenannte Verzugslohnrisiko entfällt. Allenfalls die Differenz zur Vergütung vor der Änderungskündigung müsste er nachzahlen.
Dieses Verzugslohnrisiko liegt darin, dass der Arbeitgeber nach verlorener Kündigungsschutzklage den Lohn an den Arbeitnehmer nachentrichten muss. Zahlte die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld, so muss er ihr dieses erstatten.
Mit dem Verzugslohnrisiko stirbt auch das wesentlichste Argument auf Arbeitgeberseite für die Zahlung einer Abfindung bei Ausscheiden des Arbeitnehmers.
Geldkiste mit Abfindung - aus unserer Kinowerbung "Millionenabfindung"
Bei der Entscheidung der Frage "Annahme unter Vorbehalt" ist das Ergebnis auch oft von dem Ausmaß der Änderung abhängig: wenn der Arbeitgeber, so wie im obigen Beispiel, lediglich zwei Wochen Urlaub streichen will, ist der Eingriff in den Bestand des Arbeitsverhältnisses gering.
Geänderter Arbeitvertrag künftig Maßstab für Arbeitslosengeld
Anders aber liegt der Fall, wenn zum Beispiel der Arbeitgeber mit der Änderungskündigung die Arbeitszeit und auch die Vergütung um ein Drittel reduzieren will. Lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab und verliert dann die Kündigungsschutzklage, so erhält er notfalls Arbeitslosengeld. Dieses Arbeitslosengeld wird nicht geringer sein, als wenn er weitergearbeitet hätte.
Hier spricht also vieles dagegen, auf die Änderungskündigung mit einer Annahme unter Vorbehalt zu reagieren. Die Chance auf eine Abfindung bleibt ja bei jedem Kündigungsschutzverfahren offen.
Lässt der Arbeitnehmer aber sich auf die Reduzierung ein und verliert den Arbeitsplatz einige Jahre später, so bemisst sich sein Arbeitslosengeld dann nach der reduzierten Vergütung. Und dieses Risiko ist groß, weil selten die Sanierung von Unternehmen gelingt, die nur auf reduzierte Arbeitsvergütung setzt.
Jede Kündigung trübt die Stimmung
Auch sollte man die emotionale Belastung für das Arbeitsverhältnis beachten. Das Betriebsklima wird sicher nicht durch eine Änderungskündigung verbessert. Auf eine Abfindung zu spekulieren und sein Glück nun bei anderen Arbeitgebern zu suchen, liegt deshalb nahe.
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Sozialrecht Oliver Derkorn
Oliver Derkorn ist seit 1999 Rechtsanwalt und seit 2003 Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 2014 Fachanwalt für Sozialrecht